Wer wird denn neidisch sein_fundwerke_062014»Die deutsche Art von Anerkennung ist Neid!«,

sagte Schwester Teresa neulich in ihrem Vortrag zum Thema: „Jeder ist normal, bis du ihn kennst.“

– ich befürchte, sie hat nicht ganz unrecht.

Erst neulich habe ich mich mit meiner Freundin A. darüber unterhalten. – Darüber, dass es uns nervt, wenn man immer wieder auf diese spezielle Art von Missgunst mancher Leute stösst, die meinen, sie allein seien die Opfer schlechthin, das Schicksal habe es grundsätzlich schlecht mit ihnen gemeint, und unsereins müsse das Geld und all das andere Glück nur von der Straße aufsammeln.

Nein, so funktioniert das nicht. Wir arbeiten hart für das, was wir haben – ideell wie materiell. Auch uns fliegt nicht alles so eben zu. Wir aalen uns nicht fortwährend auf der Sonnenseite des Lebens. Jeder hat seinen Rucksack zu tragen.

Menschen entscheiden sich – mal bewußt, mal unbewußt – für den ein oder anderen Weg, das ein oder andere Lebensmodell; die einen gehen an einer Wegkreuzung lieber links, die anderen rechts, wieder andere geradeaus, manche bleiben lieber stehen …

Neid macht unzufrieden; verbittert. Das spüre ich … manchmal auch bei mir selbst.

Kann sich Neid dennoch auch gut anfühlen; ist man gerne neidisch?

Das Merkwürdige: Wenn man sich mal umhört – neidisch wollen offensichtlich die wenigsten Menschen sein.
Wir wissen, dass Neidgefühle kein gutes Licht auf uns werfen.
Für die meisten Menschen ist der Neid ein kleines, keifendes Teufelchen auf ihrer Schulter, das ihnen zuraunt, sie kämen zu kurz und würden stets benachteiligt.

Energieverschwendung

Umso wütender macht mich diese spezielle Art des Neidischseins. Schön wär’s, sie einfach als „Anerkennung“ abspeichern zu können.

Aber dieses Neidischsein macht mich auch traurig. Traurig, weil manche Menschen scheinbar so unglücklich sind, sich so leer fühlen, dass sie nicht anders können, als immer wieder um sich zu schlagen, andere mit ihren Pauschalabrechnungen zu verletzen und dramatisierend gedrückte Stimmung zu verbreiten. Das alles, um einen Moment der Erhabenheit, der Genugtuung zu ‚genießen‘.

Weil er keine Lösung parat hat, wie er möglichst elegant aus einer unbequemen Situation rauskommen könnte, greift er zu einer für mich nur schwer zu entschuldigenden Alternativlösung: Projektion als Abwehrmechanismus in Kombination mit blindwütigem Angriff. Unglaublich, welche Energien da so plötzlich aus dem Nichts heraus freigesetzt werden können. Ein bitterer Genuß.

Traurig und erschrocken machen mich solche Konfrontationen. All die Energie für den kleinen Kick der momentanen „Überlegenheit“. Dabei glaube ich nicht, dass diese gestohlene, oberflächliche Genugtuung wirklich lange anhält.

»Der Mensch beschäftigt sich leider viel zu oft mit Neid, Missgunst und Hass.
Würde er diese Energie in etwas Sinnvolleres einsetzen, könnte er Berge versetzen.«
~ Stefan Wittlin

Wenn wir neidisch sind, können wir nicht schätzen und genießen, was wir besitzen; zerstören wir nur auch unsere Zufriedenheit im Kleinen.

Warum?

… frage ich mich.
Warum gelingt es den wenigsten von uns, sich von Neid komplett freizumachen?
Warum verletzen manche Menschen andere Menschen, nur um nicht alleine unglücklich und verletzt zu sein?
Warum stellen manche Menschen den gesamten Charakter anderer Personen in Frage, zweifeln deren Tun an, nur um vom eigenen Straucheln abzulenken?
Warum schütten manche Menschen Verbitterung über andere Menschen aus, obwohl dieser bittere Cocktail doch auch immer wieder auf sie selbst zurückschwappen wird?

Gönnen können!

„Mer muss och jünne könne“!

(„Man muss auch gönnen können.“ – Sei weder neidisch noch missgünstig!) – so lautet eine Ergänzung des Rheinischen Grundgesetzes.

Da ist ‚was dran! Was spricht dagegen, anderen ihr Glück ohne Wenn und Aber mal zu gönnen? Dem einen sein Geld, dem anderen seine Gesundheit, dem Dritten seinen Erfolg, dem Vierten sein unbändiges Selbstbewußtsein …
Ich versuch’s auch immer wieder, wenn ich merke, dass mich dieser bittere Neidcocktail torkeln lässt.

Dabei hab‘ ich das Gefühl, Menschen, die gönnen können, strahlen mehr. Und das Strahlen verstärkt sich mit jedem, der sich daran mitfreut. Es tut gut, sich an diesem Strahlen zu wärmen!

Diese Erfahrung habe ich neulich erst wieder auf beeindruckende Weise machen dürfen: Eine 58jährige sterbenskranke Frau sagte zu mir auf der Palliativstation, sie habe keine Angst vor dem Tod und neidisch auf die Gesunden sei sie auch nicht. Schließlich sei sie ja eine ganz lange Zeit gesund gewesen, habe das Leben genossen, auch wenn es zwischendurch heftige Schicksalsschläge gab. Sie hätte sich nur gerade jetzt mit ihrem neuen Lebenspartner ein paar mehr gemeinsame, schöne Jahre gewünscht.
Aber um neidisch zu sein, oder mit dem Schicksal zu hardern, dafür sei ihr ihre verbleibende Zeit zu schade, weil sie sich bis zum Ende so wohl wie möglich fühlen wolle; sie habe keine Lust auf schlechte Laune, sie wolle nicht kläglich und verbittert Abschied nehmen müssen.

Was für eine Haltung … bewundernswert!

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3 Responses to Wer wird denn neidisch sein?

  1. Lisa sagt:

    Da muss ich dir trauriger Weise recht geben. Warum das so ist, wird und kann uns keiner sagen, leider, denn dann würde ich es direkt abstellen.
    LG Lisa

  2. Oh ja, da gebe ich dir vollkommen Recht. Wer einem nichts gönnen kann, von dem sollte man sich auch fern halten. Auf die Frage, warum und wieso Menschen neidisch sind, werden wir wohl niemals eine zutreffende Antwort finden, da alle Menschen unterschiedlich denken, fühlen und sehen.

    Ein sehr schöner Artikel – weiter so!

  3. marco sagt:

    Wer sein Glück finden will und sich auf die Suche macht, der muss sich auf auf Neid und Missgunst gefasst machen – immerhin sind das gute Indikatoren, dass man auf dem richtigen Weg ist.

    Ich finde Neid gar nicht so schlimm. Frei nach dem Motto: Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen.

    Ich glaube, dass Neid, ähnlich wie Eifersucht, eine ur-menschliche Emotion ist, die uns antreibt und uns erst zu Menschen macht. In Deutschland versteckt man sie nur nicht so gerne hinter einem Lächeln wie anderswo.

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