halbvoll oder halbleer_fundwerke_022014Normalerweise bin ich ja eher der Halbvoll-Glas-Typ, habe eine positive Grundeinstellung. Normalerweise.

Aber, es gibt da doch Situationen und Momente, Begegnungen, wo ich von der Wiederholung dieses ewigen Mantras „Du musst positiv denken“ echt genervt bin; diesem positiv Denken auf Befehl. Wo mir das ganze Getue total auf den Zeiger geht. Wo ich mich tierisch darüber aufregen kann …

Ups, wird jetzt der ein oder andere denken. Was ist denn mit der los? Wird sie jetzt zur ständigen Nörglerin?

Darf man das überhaupt? Negativ denken …

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die die psychischen und physischen Vorteile einer optimistischen Lebenshaltung untermauern. Ich selbst habe diese stärkende Erfahrung des positiven Denkens schließlich auch schon gemacht.

Aber, was ich auch beobachtet habe – die hilfreichen Folgen eines positiven Denkens können sich auch ins zwanghafte Gegenteil verdrehen. Da gibt es Leute, die krampfhaft versuchen, alle negativen Gefühle und Gedanken aus ihrem Alltag zu verbannen – ständig behaupten sie, sie hätten alles im Griff, sie würden immer nur nach vorne schauen. Das kann ich einfach nicht glauben. Das ist ja schon fast schizophren.

Ich kenne Leute, die negative Gefühle immer wegdrücken, nicht aussprechen. Scheinbar passen in eine Welt, in der alle immer gut drauf sind, kein Zorn, keine Wut, keine Trauer, keine kritischen Gedanken. Aber ich glaube eben nicht, dass diese Gefühle dadurch tatsächlich weg sind. Wohl eher ausgeblendet. Dafür überkommen sie diese Menschen an anderer Stelle mit voller Wucht, treten umso verstärkter auf. Schwer nachvollziehbar für den, den sie in dieser Situation gegenüber haben.

»Das zwanghaft aufgesetzte „positive Denken“ ist eine Verdrängungs- und Schmalspur-Psychologie, ein reines Schwarz-Weiß-Denken,«

sagt dazu auch Günter Scheich.

Für mich ist es o.k., die Bedenken, die schwarzen Wolken im Hirn auch mal zuzulassen. Ohne schlechtes Gewissen. Verdrängen ist ungesund. Das gilt doch bestimmt auch für negative Gedanken.

»Nur wer negativ denkt, kann sich positiv überraschen lassen,«

habe ich einmal an anderer Stelle gelesen. Leider habe ich mir nicht notiert, wo.

Denkfaulheit

Manchmal kommt mir das von manchen Leuten proklamierte, positive Denken fast schon wie eine Denkfaulheit vor.
Sie verführt dazu, alles so laufen zu lassen, wie es ist. Im Glauben, es werde schon irgendwie gut; keine Verantwortung zu übernehmen.
Sie kann auch dazu verführen, immer auf das Verständnis der anderen zu vertrauen; den eigenen Hintern nicht hochzukriegen, nicht aktiv werden zu müssen, da sich ja ohnehin alles irgendwann positiv entwickeln wird. Sich vielleicht damit auch selbst zu lähmen. Das Schicksal wird es zur rechten Zeit schon wieder gut mit einem meinen.

Manchmal frage ich mich, wie sich aus der grundsätzlich zu befürwortenden, optimistischen Lebenseinstellung diese Glaubenswahrheit „Denke positiv!“ mit zunehmend zwanghaften Zügen entwickeln konnte?

Das soll hier kein Plädoyer für Pessimismus sein. Aber – ohne die ein oder anderen düsteren Prognosen, hätte es an vielen Stellen doch kein Umdenken gegeben. Ein falsches positives Denken führt zu Trägheit und Stagnation, ein gewisses Maß an Unzufriedenheit dagegen kann motivieren,  Umstände zu verändern, oder nicht?!

Pessimismus – Optimismus – irgendwo dazwischen spielt sich für mich das Leben ab.

… gerade war das Glas eben mal halbleer. Das kann morgen schon wieder ganz anders aussehen. Da schaue ich dann wieder optimistischer aus dem Fenster und glaube fest daran, dass ein Muskelkater, mit dem man die Treppen nur noch rückwärts herunterhumpeln kann, sicherlich doch auch sein Gutes haben muss.

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2 Responses to Halbvoll oder halbleer?

  1. Popcorn sagt:

    Das halbvolle Glas ist in meinen Augen nichts Anderes als eine Beruhigungspille für die Gesellschaft. Jeder Einzelne soll tunlichst mit seinem Status Quo zufrieden sein. Kündigung, unbezahlte Überstunden? Sehe es positiv, es hätte schlimmer kommen können. Ob das Absicht ist? Zumindest bedingten Vorsatz würde ich einigen Schwallköpfen schon unterstellen…

  2. Fabian sagt:

    Du hast sicher nicht ganz Unrecht, allerdings sehe ich das „Sie verführt dazu, alles so laufen zu lassen, wie es ist.“ in Hinblick auf das positive Denken ein wenig problematisch. Denn, andersrum gedacht, ist es meines Erachtens nach verkehrt, Veränderungen in erster Linie aufgrund von und mit negativen Gedanken im Hinterkopf anzugehen.

    Zu einem gewissen Grade ist das wahrscheinlich einfach eine Frage der Mentalität; in den USA ist Optimismus der Standard, bei uns ist es mehr eine Mischung aus „Realismus“ und Pessimismus, weshalb positive Gedanken oder ein Mangel an Skepsis mehr herausstechen.

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