Fachkräftemangel?
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zum Thema Fachkräftemangel nicht auch noch meinen Senf dazuzugeben. Geht aber nicht, weil ich meinen ganz persönlichen Aufreger der Woche nicht mit ins Wochenende nehmen will. Zwei Überlegungen an dieser Stelle:
Es ist ja nicht erst seit gestern bekannt, dass dem deutschen Arbeitsmarkt auch angesichts der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren immer weniger Menschen zur Verfügung stehen. Sollten daher nicht die Potenziale aller Erwerbspersonen optimal genutzt werden?
Fachkräftemangel auf der einen Seite, Fachkräfte mit Power und Engagement, die zu Hause bleiben oder ein paar Stunden bei Aldi an der Kasse sitzen, auf der anderen Seite, dazwischen der Spagat mit den Kindern.
Ich kenne viele Frauen und ein paar weniger Männer, deren Potential zu Hause verkümmert, da sie sich für Kinder und deren verantwortungsvolle Begleitung entschieden haben, damit dann aber nicht mehr die Möglichkeit haben, in oft starren Arbeitszeitmodellen ihre Qualifikationen in der Arbeitswelt unter Beweis zu stellen.
Ob vollzeitnahe Teilzeit, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit oder Arbeiten von zu Hause – familienfreundliche Arbeitszeitmodelle gibt es viele.
Erfreulicherweise gibt es als Reaktion auf den Fachkräftemangel Offensiven, bei denen einige Arbeitgeber inzwischen familienbewusste Arbeitszeitmodelle anbieten. Innovative Arbeitszeitmodelle sind für Unternehmen, die ihre qualifizierten Mitarbeiter an sich binden oder neue Fachkräfte gewinnen wollen unverzichtbar. Wie wichtig zum Beispiel eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung ist, belegt bereits 2010 die Personalmarketingstudie des Bundesfamilienministeriums: Für 90 Prozent der Beschäftigten mit Kindern ist Familienfreundlichkeit bei der Arbeitgeberwahl ebenso wichtig oder sogar wichtiger als das Gehalt.
Die Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen von Arbeitnehmern stellt große wie kleine Unternehmen vor neue Herausforderungen. Personalentwicklung sollte sich damit beschäftigen, diese Bedürfnisse zu erkennen und ihnen gerecht zu werden.
Und nicht nur die weiblichen Regierungsmitglieder sollten sich weniger mit dem Elterngeld oder einem verschärften abendlichen Ausgehverbot für Minderjährige beschäftigen, sondern um die wirklichen Aufgabenstellungen in dieser Gesellschaft kümmern – vielleicht würden dann alle begreifen, welche Chancen dieses Gesellschaft hat – mit den „schlummernden“ Fachkräften und den Kindern, die unsere Gegenwart und Zukunft ausmachen.
Bildungsministerin Schavan will Abhilfe schaffen und wirbt deshalb um junge Arbeitslose aus Spanien.
Ich weiß ja nicht, hat Frau Schavan noch nicht bemerkt, dass auch wir hier in Deutschland eine Menge junger Menschen haben, die gern am Dualen Ausbildungssystem teilhaben würden. Aus unterschiedlichsten Gründen ist dies jedoch für einige nicht möglich; ob selbstversschuldet oder dumm gelaufen sei jetzt mal dahingestellt.
Oder könnte es nicht vielleicht am häufig bemängelten niedrigen Bildungsniveau liegen? Könnte die Einstellung von mehr Lehrkräften und schulbegleitenden Betreuern da nicht für Abhilfe sorgen? So würden in einem ersten Schritt „unsere“ jungen Leute für eine Berufsausbildung qualifiziert werden. Wäre es nicht schön, wenn sich die ein oder anderen Politiker zunächst um die Belange „unserer“ Jungendlichen kümmerten, bevor sie medienwirksam ins Ausland reisen?
Ich befürchte, ansonsten führen solche Aktionen möglicherweise nur zu mehr Misstrauen zwischen den Nationen Europas.
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5 Responses to Fachkräftemangel?
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WORTGEWÖLK
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Klasse Artikel.
Die Zahlen der Studie überraschen mich kaum… Ich kenne viele gut ausgebildete Mütter, die einen Beruf mit erhöten Anforderungen suchen, diesen aber aufgrund der Arbeitszeiten nicht finden… Aber naja, stattdessen werden ausländische Fachkräfte eingeführt und deutsche Mütter sitzen weiterhin bei Aldi an der Kasse…
Einen Fachkräftemangel mit klarem Profil gibt es nur im Bereich von Ingenieuren. Hier wird auch gut bezahlt. Überall sonst sind die Preise noch weit unten, also auch der Druck noch nicht hoch genug. Ausnahmen mag es geben und die 10% derer, die immer gang vorn sind, verstellen den Blick auf die Realität. Beleg: Noch immer sind fast alle Stellenausschreibungen wie bisher – ein Blick in die Zeitung reicht -, wenige regionale Arbeitgeber werben mit ihrer Familienfreundlichkeit. Warum auch die Strukturen ändern, damit… Andererseits schwappt die Demografiewelle weiter und weiter, das wird wie eine Flut über die Unternehmen kommen. Deshalb hier ein klares Statement für die Quote. Wenn´s die gibt, gibt es zwangsläufig Rechtsansprüche, dann gibt es einerseits Chancen, andererseits auch Pflichten (sorry, auch wenn das vielen Müttern wehtut, dann hilft eben kein Verstecken mehr, das es auch gibt). Klar gibt es dann auch Probleme, aber die Lösungen dieser Probleme machen fit für das Demografieproblem und drücken uns nicht weiter ins Verharren. Kurz und knapp: Quotenregelung, Kinderbetreuungsplätze, verpflichtende 50%-Elternzeit für Väter, Mindestlöhne und eine Erhöhung der steuerlichen Kilometerpauschale im Ländlichen Raum (oder mehr ÖPNV). Dann müssen sich alle, Unternehmen, Väter, Mütter bewegen. Unbequem aber sehr wirkungsvoll.
René, schön hier von Dir zu lesen! Zum Thema „unbequem“ – ein bisschen Bewegung, sowohl mental als auch physisch, hat im mehrerlei Hinsicht noch niemandem geschadet. Ein Festhalten am Status quo führt allerdings irgendwann wohl zum Systemkollaps. Von daher, Deine beiden letzten Sätze bringen es gut auf den Punkt.
Super Artikel1
Ich frage mich auch manchmal, ob es den Fachkräftemangel wirklich gibt…
Und dann liest man wieder Artikel, wo deutlich dargelegt wird, was für flexible Arbeitszeitmodelle möglich sind und warum das sogar für die Arbeitgeber von Vorteil ist.
Da verstehe ich nicht ganz, warum nichts getan wird?!
Habe auch dazu passend noch einen anderen Artikel gelesen, der das „Unwort des Jahres“ hinterfragt.
Da reichen die Meinungen von Lüge, über Marketing-Gag bis hin zu: Ja, den Fachkräftemangel gibt es wirklich.
Sehr treffend der Kommentar eines Unternehmers: „Gäbe es diesen Mangel tatsächlich, dürfte keine einzige „Fachkraft“ arbeitssuchend sein. Ich kenne allerdings genügend, die schon sehr lange vergeblich eine Anstellung suchen.“
;)
Hier der gesamte Artikel: http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/unwort-des-jahres-fachkraeftemangel/
RWTH-Abschluss mit ner 2.3, MA beim Daimler, mein Chef wollte mich unbedingt behalten, aber laut den Personalern „stellt Daimler zurzeit niemanden ein“. Wenn überhaupt nur über Dienstleister und die Ings werden wirklich wie 2. oder gar 3. Klasse behandelt. Ich hab allen großen und kleinen OEMs Bewerbungen geschrieben, bestimmt 20-30: alles Absagen.
Danach hab ich die Suche auf Dienstleister ausgeweitet, da wurde ich auf den ersten Blick mit offenen Armen empfangen. In den meisten Fällen entpuppte sich das aber nur als Vorstellung und anschließende Worte wie wertvoll ich doch sei für die Firma sowie die Aufnahme in die Kartei. Eine konkrete Stelle gab’s nur in drei Fällen (von etwa 30, wobei ich zu 10 Gesprächen/Telefonaten eingeladen wurde). Eine Stelle hat mir besonders gut gefallen, in Österreich, welche ich dann auch genommen hab. Hier werden die Leiharbeitskräfte wenigstens noch genau gleich behandelt wie die Festangestellten, der einzige Unterschied ist weniger Geld pro Monat (etwa 600€ brutto). Die Aussichten auf Übernahme schauen angeblich nach 2-3 Jahren ganz gut aus, wenn man sich nicht allzu blöd anstellt… das bleibt abzuwarten.
Bei den Bewerbungen für die MA lief’s übrigens sehr ähnlich, deswegen hab ich bei der Jobsuche auch nicht viel anderes erwartet. Als Absolvent direkt von der Uni (auch von der RWTH) fest angestellt zu werden ist selten.
Der Ingenieursmangel ist auf jeden Fall übertrieben, vor allem bei den OEMs. An sich gibt es ja mehr als genug Arbeit, aber neue Leute einstellen will keiner, aus welchen Gründen auch immer. Beim Daimler gibt es ganze Projekte, die mitten drin aufhören oder gar nicht bearbeitet werden, weil es einfach nicht genug Manpower dafür gibt, aber Daimler stellt ja bekanntlich niemanden ein :)