Gestern bin ich beim Zappen hängen geblieben – es kam der vierte und damit letzte Teil der amerikanische TV-Mini-Serie aus dem Jahr 1978 „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“, die hier in Deutschland erstmals 1979 gezeigt wurde. Jetzt nach 40 Jahren also erneut.

Die ersten Teile hatte ich aktuell nicht gesehen, muss die Serie wohl aber als Jugendlich schon mal geschaut haben, da mir gestern Vieles bekannt vorkam; ich das (deutsche) Ende kannte.

Gestern dachte ich mir, es sei doch Einiges sehr amerikanisch gefilmt, die Schauspieler als KZ-Insassen z. T. gar nicht als authenisch wahrzunehmen, da noch viel zu „gestyled“ – die undarstellbaren Schrecken des industriellen Mordes an den Juden fühlten sich für mich fast schon trivial inszeniert an. Ganz anders als in der Verfilmung von „Der Junge im gestreiften Pyjama“.

Und trotzdem habe ich heute Nacht schlecht geschlafen – surreale Bilder, Angst, Schrecken, Ekel, Beklemmung.

Das Alles wahrscheinlich vor dem Hintergrund des am vergangenen Sonntag seit 2005 jährlich stattfindenden „Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“.

Auch an diesem Tag hatte ich Beklemmung, Ekel und Schrecken gespürt: Die Kommentarspalten auf Facebook zu Berichten zu diesem Gedenktag waren zum Teil so unsäglich „vollgemüllt“.
Wutbürger, Fakeprofile, die außer unmenschlichen Bemerkungen, Verharmlosung, Hass, Fakenews und Whataboutism nicht viel zu bieten hatten. Ich hatte mich dort rumgetrieben, da ich mit #ichbinhier zumindest ein wenig dagegen halten wollte.
Ein beliebtes Mittel des Kommentieres sind dann z. B. auch Lachsmileys, die unter Nachrichten oder Posts auftauchen, die Menschen betreffen, denen Leid widerfährt oder widerfahren ist, in welcher Form auch immer.
Zum Teil nur sehr, sehr schwer auszuhalten. Da schnürte es mir schon so manches Mal beim Lesen den Hals zu.

Warum beschäftigt mich das so? Weil es in den Kommentaren dort auch um die Frage der „Schuld“ ging bzw. darum, dass viele meinten „einen Dreck müssten sie sich erinnern“, „einen Scheiß an Verantwortung hätten sie zu tragen“, da sie sich weder am Holocaust noch am 2. Weltkrieg in irgendeiner Form schuldig gemacht hätten.

Dabei geht es bei dem Gedenktag, wie ich meine, doch gar nicht um den für manche so verstandenen Vorwurf, sie seien „schuldig“.
Schuld ist eine ganz persönliche Angelegenheit. Das Gedenken bringt Menschen, die während des Holocaust oder danach geboren sind, nicht automatisch mit Schuld in Zusammenhang; auch wenn das Einige immer gleich so verstehen/verstehen wollen.

Warum werden die Zeitzeugen des Holocausts gezielt diskreditiert, warum werden Stolpersteine beschmutzt, wieso werden Gedenkstätten und Gedenktage lächerlich gemacht?

Die Vergangenheit zu vergegenwärtigen und sich ihrer zu erinnern, heißt nicht, in ihr zu leben oder sie sich zurückwünschen zu wollen.
Für mich ist es erschreckend und auch beängstigend, wie andere keine Lehren daraus ziehen/ziehen wollen – sei es aus Bequemlichkeit, sei es aus mangelndem Intellekt, sei es aus Ignoranz, sei es aus einem Früher-war-alles besser-Gefühl heraus –  und aus dem Heute ein Gestern machen.

Max Mannheimer, Holocaust-Überlebender, sagte mal:
»Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.«

Wir brauchen das Erinnern. Wir brauchen das Verstehen, das Wissen um die Zusammenhänge. Was hat das möglich gemacht, wie waren die Umstände, was folgte daraus.

Nur wer sich erinnert, auch wenn er keine Schuld auf sich geladen hat, kann verantwortungsbewusst mit der Geschichte umgehen. Auch wenn Erinnerung anstrengend ist.

Ich möchte nicht eines Tages aufwachen und nicht nur schlecht geträumt haben!

Bei Hitlers brennt noch Licht.

Es ist nie ganz erloschen,
nur eine kurze, ruhige Zeit war’s Fenster fest verschlossen.
Nur ab und zu, ganz schüchtern fast, kaum hörbar, ein Gewisper…
Man nahm’s kaum wahr und dachte sich: „Was soll’s? Da ist noch Licht an.“
Bei Hitlers brennt noch Licht – Jetzt treten sie ans Fenster.
Jetzt sieht man sie, jetzt hört man sie …
das sind keine Gespenster.
Ganz stolz und lautstark steh’n sie da, entzünden und krakeelen.
Und ihre Drohung ist ganz klar: „WIR GEHEN WIEDER WÄHLEN!“
Bei Hitlers brennt noch Licht.
Vernunft wo bist Du? Wo?
Komm‘ raus und hilf … und schalt‘ es aus.
… sonst brennt es lichterloh.

~ Simon Pearce
(ist ein in München lebender deutscher Schauspieler, Synchronsprecher und Comedian)

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1 Responses to schlecht geträumt

  1. Ja, ich fühle mich verantwortlich für das was geschieht. Doch manchmal weiß ich nicht, was ich machen soll. Dann lasse ich mein Herz sprechen, stehe auf und sage: SO nicht!

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