… jetzt ist es tatsächlich schon eine Woche her, dass Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde; und Kamala Devi Harris als erste Frau seit dem 20. Januar 2021 die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten ist.

Zum Zeitpunkt der Vereidigung von Joe Biden war ich unterwegs, konnte sie mir daher nicht live anschauen. Als ich nach Hause kam, saß meine Tochter vor dem Fernseher … eine junge Frau mit rotem Haarreif und gelbem Mantel sprach gerade eindrückliche Worte.

Das erste, was ich fragte war, ob es rund um das Capitol irgendwelche „Demos“ gäbe, es zu ähnlichen Situationen wie bei der erschreckend unsäglichen Stürmung des Capitols ein paar Tage zuvor gekommen sei. Ich wünschte mir verzweifelt, dass nichts dergleichen geschehen würde. Hatten alle doch die Tage zuvor gesehen, in welcher Weise das Capitol und Washington vom Militär gesichert wurden, manche befürchteten einen aufkeimenden „Bürgerkrieg“. Ich konnte in dem Moment gar nicht auf die Worte der jungen Frau, die da sprach, achten und war nur froh zu hören, dass es bislang „ruhig geblieben“ sei.

Denn – trotz der Hoffnung auf eine neue Regierung und eine Atempause von den letzten vier Jahren des Hasses, der Lügen und der Unfähigkeit, sind Rechtsextremismus und Gewalt ja nicht einfach auf magische Weise verschwunden, nur, weil Donald Trump am Morgen in ein Flugzeug nach Mar-a-Lago eingestiegen war. Er war es, der Amerikas brodelnden Rassismus und Frauenfeindlichkeit an die Oberfläche brachte und Menschen in diesen Denkmustern ermutigte – eine giftige, mitunter tödliche Kombination. Und wenn der Aufstand im Capitol ein Hinweis auf das war, was eventuell noch kommen kann, dann müssen wir uns alle neben der Freude über den neuen Präsidenten wohl auch auf die Zwietracht in den kommenden Monaten vorbereiten.

Ich weiß, das ist nicht unbedingt das, was die Leute jetzt nach der Vereidigung Joe Bidens hören wollen. Ich weiß, dass wir alle einen Moment des Aufatmens brauchen. Aber ich konnte mich vor einer Woche nicht komplett davon frei machen, Angst zu haben: Angst vor der rechtsextremen Gegenreaktion, besorgt um die Sicherheit der neu Gewählten und Ernannten.

Am Abend dann hörte ich Amanda Gorman, der jüngsten Antrittsdichterin in der Geschichte der USA, in Ruhe zu. Ihr Gedicht „The Hill We Climb“ begann mit der Frage: „… wo finden wir Licht in diesem endlosen Schatten?“-  das Gedicht eine Mischung von Rap und Poetry Slam.

Ihr Eingeständnis des Schmerzes, der Niedergeschlagenheit, berührte mich. Und es war schließlich die Antwort dieser 22-Jährigen auf die Frage, wo man Hoffnung finden kann, die zuletzt etwas von der Angst und dem Stress wegspülte:

„Denn da war immer Licht, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sein.“

Die Weisheit dieser jungen Frau, 30 Jahre jünger als ich, beeindruckte mich, lies mich schlucken und trieb mir die Tränen in die Augen. Ich war nicht die einzige …

Wir alle, die sich abgestumpft und vielleicht ein wenig zu niedergeschlagen fühlen, sollten uns daran erinnern, dass, wenn junge Menschen – die oft am wenigsten Macht haben und denen am wenigsten zugehört wird – in diesem Moment Hoffnung finden, wir diese Hoffnung auch finden können.
Wir dürfen uns nichts vormachen, was die kommenden Herausforderungen angeht; es gibt viele. Aber wir müssen ihnen nicht automatisch mit Angst oder Furcht begegnen.
Und wenn junge Menschen es sich wünschen und brauchen, dass wir in Zukunft dieses Licht für sie sind, sollten wir uns dieser Aufgabe für sie stellen.

 

»The Hill We Climb

Das englischsprachige Original von Amanda Gorman

When day comes, we ask ourselves,

where can we find light in this never-ending shade?

The loss we carry,

a sea we must wade.

We’ve braved the belly of the beast.

We’ve learned that quiet isn’t always peace.

And the norms and notions

of what just is, isn’t always just-ice.

And yet the dawn is ours

before we knew it.

Somehow we do it.

Somehow we’ve weathered and witnessed

a nation that isn’t broken,

but simply unfinished.

We, the successors of a country and a time

where a skinny Black girl

descended from slaves and raised by a single mother

can dream of becoming president

only to find herself reciting for one.

And yes, we are far from polished,

far from pristine,

but that doesn’t mean

we are striving to form a union that is perfect.

We are striving to forge our union with purpose.

To compose a country, committed to all cultures, colors, characters, and conditions of man.

And so we lift our gaze, not to what stands between us

but what stands before us.

We close the divide because we know to put our future first,

we must first put our differences aside.

We lay down our arms

so we can reach out our arms

to one another.

We seek harm to none and harmony for all.

Let the globe, if nothing else, say, this is true:

That even as we grieved, we grew.

That even as we hurt, we hoped.

That even as we tired, we tried.

That we’ll forever be tied together, victorious.

Not because we will never again know defeat,

but because we will never again sow division.

Scripture tells us to envision

that everyone shall sit under their own vine and fig tree

and no one shall make them afraid.

If we’re to live up to our own time,

then victory won’t lie in the blade, but in all the bridges we’ve made.

That is the promise to glade

The hill we climb.

If only we dare

It’s because being American is more than a pride we inherit.

It’s the past we step into

and how we repair it.

We’ve seen a force that would shatter or nation, rather than share it.

Would destroy our country if it meant delaying democracy.

And this effort very nearly succeeded.

But while democracy can be periodically delayed,

it can never be permanently defeated.

In this truth,

in this faith we trust

For while we have our eyes on the future,

history has its eyes on us.

This is the era of just redemption.

We feared at its inception

We did not feel prepared to be the heirs

of of such a terrifying hour,

but within it, we found the power

to author a new chapter.

To offer hope and laughter to ourselves.

So while once we asked,

how could we possibly prevail over catastrophe?

Now we assert

how could catastrophe possibly prevail over us?

We will not march back to what was,

but move to what shall be

a country that is bruised but whole

benevolent, but bold,

fierce, and free.

We will not be turned around

or interrupted by intimidation

because we know our inaction and inertia

will be the inheritance of the next generation.

Our blunders become their burdens,

but one thing is certain.

If we merged mercy with might,

and might with right,

then love becomes our legacy, and change our children’s birthright.

So let us leave behind a country

better than the one we were left with

Every breath, my bronze-pounded chest.

We will raise this wounded world into a wondrous one.

We will rise from the gold-limbed hills of the West.

We will rise from the windswept Northeast

where our forefathers first realized revolution.

We will rise from the lake-rimmed cities of the midwestern states.

We will rise from the sunbaked South.

We will rebuild, reconcile and recover

and every known nook of our nation.

And every corner called our country.

Our people diverse and beautiful will emerge,

battered and beautiful.

When day comes, we step out of the shade

aflame and unafraid

The new dawn blooms as we free it.

For there was always light.

If only we’re brave enough to see it.

If only we’re brave enough to be it.«

 

»Der Berg, auf den wir steigen

Eine Übersetzung von Jacqueline und Martin Winter

Wenn der Tag kommt, fragen wir uns,

wo finden wir Licht in diesem endlosen Schatten?

Der Verlust, den wir tragen,

ein Meer zu durchwaten.

Wir waren im Bauch des Ungeheuers.

Wir haben erfahren, dass Stille nicht unbedingt Friede ist.

Und die Regeln und Wahrnehmungen

von dem was da ist, das muss nicht Gerechtigkeit sein.

Und doch ist der Morgen unser

bevor wir’s bemerken.

Irgendwie schaffen wir’s.

Irgendwie haben wir sie gesehen und überstanden,

eine Nation, die nicht zerstört ist,

sondern noch nicht fertig.

Wir, die ein Land erben und eine Zeit,

wo ein mageres schwarzes Mädchen,

das von Sklaven stammt und allein war mit seiner Mutter

träumen kann, Präsidentin zu werden

um dann vor einem Präsidenten zu lesen.

Und ja, wir sind gar nicht glatt,

wir sind nicht makellos,

aber das heißt nicht,

dass wir eine Gemeinschaft formen wollen, die perfekt ist.

Wir schmieden eine Gemeinschaft mit einem Ziel zusammen.

Ein Land zusammenzubringen, für alle Kulturen, Farben, Temperamente, Bedingungen.

Und so heben wir unseren Blick, nicht auf das, was zwischen uns steht,

sondern auf das, was uns bevorsteht.

Wir schließen die Kluft, weil wir wissen, damit die Zukunft zuerst kommt,

müssen wir erst beiseite tun, was uns trennt.

Wir legen Waffen nieder,

damit wir unsere Arme

nacheinander ausstrecken können.

Wir streben nach Schaden für keinen und Harmonie für alle.

Lass die Welt, wenn nichts Anderes, sagen,

dass wir trauerten und daran wuchsen.

Dass wir im Schmerz hofften.

Dass wir es in der Erschöpfung versuchten.

Dass wir für immer im Sieg miteinander verbunden sind.

Nicht weil wir nie wieder verlieren,

sondern weil wir nie wieder Zwietracht säen.

Die Schrift sagt uns, wir sollen erhoffen,

dass ein jeder sitze unterm eigenen Weinstock und Feigenbaum

und niemand soll ihm Angst machen.

Wenn wir so leben, wie es unserer Zeit gebührt,

dann liegt der Sieg nicht in unserem Schwert, sondern in den Brücken, die wir gebaut haben.

Das ist das Versprechen, das Tal der Freuden,

hinter dem Berg, auf den wir steigen.

Wenn wir uns nur trauen.

Denn AmerikanerInnen zu sein ist mehr als ein Stolz, den wir erben.

Es ist die Vergangenheit, in die wir treten

und wie wir sie flicken.

Wir haben eine Macht gesehen, die unsere Nation eher zerstören würde, als sie zu teilen.

Die das Land zerschlagen will, wenn sie dadurch Demokratie aufhält.

Und das hat fast funktioniert.

Aber während sie Demokratie immer wieder aufhalten können,

sie können sie nie auf Dauer besiegen.

Auf diese Wahrheit,

auf diesen Glauben vertrauen wir.

Denn während wir unseren Blick auf die Zukunft heften,

hat die Geschichte uns im Blick.

Das ist die Zeit, in der wir erlöst werden.

Wir haben am Anfang Angst gehabt,

wir waren nicht vorbereitet darauf,

solch eine schreckliche Zeit zu bekommen,

aber in ihr haben wir die Kraft gefunden

ein neues Kapitel zu schreiben.

Uns selber Hoffnung und Lachen zu schenken.

Und so, während wir zuerst gefragt haben,

wie können wir diese Katastrophe nur überwinden,

so behaupten wir jetzt,

wie könnte diese Katastrophe uns nur überwinden?

Wir marschieren nicht dorthin zurück, wo wir herkommen,

sondern bewegen uns weiter

in Richtung auf ein Land, das verletzt ist, aber ganz,

gütig, aber mutig,

wild und frei.

Wir werden uns nicht umdrehen lassen

oder unterbrechen durch Einschüchterung,

weil wir wissen, wenn wir nicht handeln und träge bleiben,

dann geben wir’’s weiter an die nächste Generation.

Unsere Fehler werden zu ihren Lasten,

aber eines ist klar:

Wenn wir Mitleid und Stärke verbinden,

und Stärke mit Recht,

dann wird Liebe zu unserm Erbe, und Wandel wird zum Geburtsrecht unserer Kinder.

So lasst uns ein Land hinterlassen,

das besser ist, als was man uns hinterlassen hat.

Mit jedem Atem, meine bronzene Brust.

Wir erheben diese verwundete Welt zu einer wunderbaren.

Wir stehen auf aus goldgliedrigen Hügeln des Westens.

Wir stehen auf aus dem windgepeitschten Nordosten,

wo unsere Vorfahren zuerst Revolution wahr gemacht haben.

Wir stehen auf aus den Städten an Seen im Mittleren Westen.

Wir stehen auf aus dem sonnenverbrannten Süden.

Wir bauen wieder auf, versöhnen, erneuern

jedes Eck, das jemand kennt an unserer Nation.

Und jede Ecke, die man unsere Nation nennt.

Unser Volk so verschieden und schön kommt hervor,

angeschlagen und schön.

Wenn der Tag kommt, treten wir aus dem Schatten,

entflammt und ohne Furcht.

Die Morgendämmerung blüht, wenn wir sie freilassen.

Denn da war immer Licht,

wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen,

wenn wir nur mutig genug sind, es zu sein.«

 

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