Cranky Old Man_2_fundwerke_052014Das berührende und zum Nachdenken anregende Gedicht mit dem Titel „Cranky Old Man“ kursiert aktuell in sozialen Medien und wurde bereits x-mal geteilt.

Und ich muss zugeben – gerade auch vor dem Hintergrund, dass ich im Rahmen meines Kurses als Sterbebegleiterin inzwischen einen Nachmittag auf der Palliativ-Station verbracht habe und wir gestern einen Gruppenabend im Hospiz-Verein hatten – die Worte rühren mich zutiefst, erschüttern, beschämen …

Das Gedicht erzählt aus der Perspektive eines älteren Mannes, dessen Krankenschwestern scheinbar nur einen „launenhaften alten Mann“ wahrnehmen, der ständig Pflege benötigt. Sie sehen nicht den Mann mit seinem reichen, gelebten Leben hinter dem gealterten Körper.

Dem Gedicht häufig vorangestellt ist eine Geschichte, in der behauptet wird, das Gedicht sei zwischen den Habseligkeiten eines alten Mannes gefunden worden, der im Pflegeheim einer australischen Provinzstadt gestorben war. Allerdings ist diese Geschichte, die dieser Version des Gedichts häufig angehängt wird, wohl frei erfunden.

Phyllis McCormack, eine Frau, so heißt es auf Wikipedia, schrieb die ursprünglich Fassung „Crabbit Old Women“ des Gedichts Mitte der 1960er Jahr, während sie als Krankenschwester in einem britischen Krankenhaus arbeitete.

Die sich derzeit verbreitende Version des „Cranky Old Man“ ist offenbar eine Adaptation des Originals vom amerikanischen Dichter David L. Griffith aus Texas.

Und es ranken sich noch weitere Geschichten rund um dieses Gedicht – eine Tatsache, die die Kraft dieser bewegenden Worte für mich jedoch deshalb nicht schmälert!

Wie die Lebensgeschichten der ‚Alten‘, die im Inneren der Menschen auf der ganzen Welt widerhallen, hat auch der „Cranky Old Man“ seine ihm ganz eigene, einzigartige Identität. Cranky Old Man_3_fundwerke_052014

Cranky Old Man

What do you see nurses?  …  What do you see?

What are you thinking  … when you’re looking at me?

A cranky old man,  … not very wise,

Uncertain of habit  … with faraway eyes?

Who dribbles his food  … and makes no reply.

When you say in a loud voice  … ‚I do wish you’d try!‘

Who seems not to notice  … the things that you do.

And forever is losing  … a sock or shoe?

Who, resisting or not  … lets you do as you will,

With bathing and feeding  … the long day to fill?

Is that what you’re thinking?  … is that what you see?

Then open your eyes, nurse. You’re not looking at me.

I’ll tell you who I am  … as I sit here so still,

As I do at your bidding,  … as I eat at your will.

I’m a small child of Ten  … with a father and mother,

Brothers and sisters  … who love one another

A young boy of Sixteen  … with wings on his feet

Dreaming that soon now  … a lover he’ll meet.

A groom soon at Twenty  … my heart gives a leap.

Remembering, the vows  … that I promised to keep.

At Twenty-Five, now  … I have young of my own.

Who need me to guide  … and a secure happy home.

A man of Thirty  … my young now grown fast.

Bound to each other  … with ties that should last.

At Forty, my young sons  … have grown and are gone,

But my woman is beside me  … to see I don’t mourn.

At Fifty, once more,  … babies play ‚round my knee,

Again, we know children  … my loved one and me.

Dark days are upon me  … my wife is now dead.

I look at the future  … I shudder with dread.

For my young are all rearing  … young of their own.

And I think of the years  … and the love that I’ve known.

I’m now an old man  … and nature is cruel.

It’s jest to make old age  … look like a fool.

The body, it crumbles  … grace and vigour, depart.

There is now a stone  … where I once had a heart.

But inside this old carcass  … a young man still dwells,

And now and again  … my battered heart swells.

I remember the joys  … I remember the pain.

And I’m loving and living  … life over again.

I think of the years, all too few  … gone too fast.

And accept the stark fact  … that nothing can last.

So open your eyes, people  … open and see.

Not a cranky old man.

Look closer . . . . see .. .. . .. ….. ME!

Cranky Old Man_1_fundwerke_052014Da ich weiß, dass ich auch Leserinnen und Leser habe, die mit der englischen Sprache nicht so gut klar kommen, hier noch der Versuch einer deutschen Übersetzung, weil die Worte wirklich lesenswert sind:

Verschrobener alter Mann

Was seht Ihr, Krankenschwestern?  … Was seht Ihr in mir?
Was denkt Ihr  … wenn Ihr versucht, mich anzusprechen?
Ein verschrobener alter Mann  … nicht sehr klug,
Unsicher in seiner Gewohnheit  … mit welchem Blick?
Er fingert in seiner Nahrung  … und gibt keine Antwort.
Wenn Du mit einer sehr lauten Stimme sprichst:  …  „Ich wünschte, du würdest es alleine versuchen!“
Er scheint nichts zu bemerken,  … von den Dingen, die Du tust.
Und ewig verliert er etwas  … eine Socke oder einen Schuh?
Manchmal leistet er Widerstand oder nicht  … kannst Du mit mir tun, was Du willst?
Mit Bädern und Fütterung  … Deinen langen Tag zu füllen?
Ist es das, was Du denkst?  … Ist es das, was Du siehst?
Dann öffne Deine Augen, Krankenschwester  … Du siehst mich nicht!
Ich werde Dir sagen, wer ich bin  … während ich hier sitze so still,
Als ich nach Deiner Pfeife tanzte  … und mich Deinem Willen beugte, um zu essen.
Ich war einst ein kleines Kind  … ich hatte auch einen Papa und eine Mama.
Brüder und Schwestern  … die einander liebten.
Ich war mal ein Junge von sechzehn  … mit Flügeln an den Füßen
Mit Träumen, dass er nun bald  … die Liebe seines Lebens treffen werde.
Ein Bräutigam mit fast zwanzig  … mein Herz tanzte und war glücklich.
Erinnerung an das Gelübde,  … das ich zu halten versprach.
Mit fünfundzwanzig  … bin ich der Herr meines eigenen Lebens.
Niemand braucht mich zu lenken  … und ich habe ein sicheres glückliches Zuhause.
Ein Mann von dreißig  … ich bin schnell gewachsen,
Aneinander gebunden an meine Frau und Kinder  … mit Bindungen, die dauern sollen.
Mit vierzig, meine Söhne  … aufgewachsen und gegangen,
Meine Frau ist immer an meiner Seite  … wir sind glücklich und wir haben uns.
Mit Fünfzig noch mal:  … Babies krabbeln und spielen um meine Knie,
Ach, wir kennen doch die Kinder  … meine Liebste und ich
Dunkle Tage sind nun gekommen  … meine Frau ist tot.
Ich schaue in die Zukunft  … und mich schaudert vor Angst.
Für meine Kinder  … sind ihre eigenen Kinder das Wichtigste.
Und ich denke an all die vergangenen Jahre  … und die Liebe, die ich kannte.
Ich bin jetzt ein alter Mann  … und die Natur ist grausam.
Es jetzt bis ins hohe Alter zu schaffen  … und wie ein Narr aussehen.
Der Körper zerfällt mir  … Gnade und Kraft, sind weggefahren.
Jetzt ist dort nur ein Stein  … wo ich einst mal ein Herz besaß.
Aber in diesem alten Körper  … wohnt noch immer ein junger Mann.
Und hin und wieder  … schwillt mein angeschlagenes Herz
Ich erinnere mich an die Freude  … ich erinnere mich an den Schmerz.
Und ich liebe und lebe  … das Leben immer noch und jeden Tag auf das Neue.
Ich denke an die Jahre, die allzu wenigen  … sie sind zu schnell gegangen.
Und akzeptiere die nackte Tatsache,  … dass nichts ewiglich dauern kann.

Also öffnet Eure Augen, ihr Menschen  … und seht!
Nicht ein verschrobener alte Mann  …
Schaut näher hin  …  seht  …  MICH!

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8 Responses to Look closer…. see …….. ME!

  1. Nick Gently sagt:

    Vielen Dank für den Gedankenanstoß. Ich selber befinde mich in den 40’er Jahren. Meine Eltern leben beide noch und dafür bin ich dankbar. Ich sehe und merke aber, dass meine Eltern alt werden und dass macht mir Angst.
    „Und akzeptiere die nackte Tatsache, … dass nichts ewiglich dauern kann.“
    Ich sehe eine stolze Familie!

  2. Heidi sagt:

    …und obwohl er findet, dass sein Herz schwerer wiegt wie ein Stein, ja vielleicht sogar seinen Platz an den Stein abgegeben hat, liebt er immer noch das Leben!!!!
    Wie oft glauben, ja behaupten wir, dieser kranke Mensch hat doch keinerlei Lebensqualität mehr. Dieses Vorurteil sollten wir wohl immer erst hinterfragen.

  3. Beni sagt:

    Danke, dass du das auch mal ins Deutsche übersetzt hast, denn stimmt schon:
    Und akzeptiere die nackte Tatsache, … dass nichts ewiglich dauern kann.
    Deswegen sollte man jeden Tag so leben als sei es der letzte, und nicht nur den Aussagen glauben schenken, spare fürs Alter, du musst …

  4. Amelie sagt:

    Wow, dieses Gedicht regt wirklich zum Nachdenken an. Ich arbeite auch im Pflegebereich und muss wirklich sagen, dass man leider viel zu wenig Zeit für die Menschen hat. Ich würde gern viel mehr auf sie eingehen und über ihre Vergangenheit erfahren, aber leider fehlt in dem Beruf einfach die Zeit.

  5. Wunderbare Nachspür-Worte…!
    Irgendjemand hat mal gesagt: Wir sind die Summe all derer, denen wir in unserem Leben begegnet sind. Wir sind die Summe all unserer Jahre.

    Wie grausam ist es da, alte Menschen nur auf ihr Alter oder ihre Krankheit zu reduzieren – SUMME nicht SUBTRAKTION!

    Jeder von uns ist Teil des eigenen, aber auch Teil des Lebens anderer. Wir haben so viel Einfluss auf das Leben anderer – oft, ohne es zu merken.

    Und dieses gelebte Leben bleibt in uns, es macht uns aus – im Guten, wie natürlich auch im Schlechten.
    Deshalb: Fröhlichkeit, Offenheit, Gelächter, positive Gedanken und gemeinsame gute Zeit ansammeln – sie sind es, die uns im Alter bleiben und ausmachen. Und die blitzen dann auf in unseren Augen – sichtbar für andere, wenn sie genau hinschauen!

    Danke, liebe Silke, für’s Teilen und für die Hintergrund-Infos. LG, Karin

  6. Andreas sagt:

    Hallo Silke, das ist ein Thema, das mich schon lange zutiefst berührt und beschäftigt. Ich habe selbst mal ein Gedicht darüber geschrieben: -> http://www.der-familienstammbaum.de/mementomori/gedichte-ueber-die-vergaenglichkeit/der-alte-mann/

    Viele Grüße
    Andreas

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