Endlichkeit_fundwerke_032015Eben noch alles Normalität, und plötzlich regiert der Ausnahmezustand.

Die menschliche Existenz ist ein unwahrscheinlicher Zufall, wunderbar und kompliziert – ihr urplötzliches Ende jederzeit möglich.

Wir versuchen und denken, so vieles unter Kontrolle zu haben. Wir wollen Unglücke ausschließen. Das ist menschlich. Aber das Leben ist ein Risiko, weil es bei all unserem Wissen zum Trotz Fehler gibt und geben wird. Weil es bei allem auch immer diesen unbestimmbaren Faktor Mensch gibt.

Und dennoch: wir werden mit aller Macht versuchen wollen, das Unerklärliche ergründen zu können. Fakten sollen uns die Gewissheit geben, noch mehr kontrollieren zu können, Künftiges vermeidbar machen.

Dabei ist der Tod immer da, er drängt sich nicht auf, er wartet in den Kulissen.

Jederzeit kann er auftauchen, in jedem Leben.

Wie Kleinkinder, die sich die Hand vor die Augen halten und rufen: “Such‘ mich!”, so verdrängen wir häufig das Thema Tod und Sterben aus unserem Leben. Dabei kommt es doch auf jede Sekunde an, selbst beim Sterben, denn es ist noch das Leben. Als ginge uns das alles nichts an …
Die Folge dieser Verdrängung ist Sprachlosigkeit, Unsicherheit, Angst und … das Verpassen der ein oder anderen Chancen.

Obwohl jeder von uns doch eigentlich weiß, dass er es nicht ändern kann – jeder wird eines Tages sterben müssen. Die Tatsache, dass die meisten Menschen versuchen, diesen Fakt zu verdrängen macht es nicht einfacher, darüber nachzudenken oder gar zu reden.

Ich meine ja nicht, dass man sich ständig an seine Sterblichkeit erinnern soll; das wäre ja nicht auszuhalten, würde die Freude, im Leben zu sein, komplett trüben. Aber ab und zu tut es sicherlich gut.

Jedes Tier, jeder Mensch fürchtet instinktiv den Tod. Diese Gegenwehr sitzt in den meisten von uns ganz tief. Sie macht uns sorgsam im Umgang mit dem Leben. Die schattenhafte Angst vor dem Tod hat auch eine biologische Funktion. Sie festigt unseren Lebenswillen.

Gäbe es keinen Tod, müsste man ihn oder etwas Ähnliches wohl erfinden.
Die Grenze des Todes, die Endlichkeit des Lebens ist es, der wir die Wertschätzung des Leben verdanken.
Könnten wir ewig leben, wäre unser Leben eine endlose Wiederholung. Kein Moment, keine Entscheidung hätten wirklich Bedeutung. Was heute nicht ist, könnte ja immer noch morgen oder übermorgen oder irgendwann sein …

So schlimm es ist, so fassungslos es einen zurücklässt, es ist der Tod, der uns an die Vergänglichkeit aller Dinge erinnert.
Er ermöglicht es, dass alles immer neu entstehen kann, einzigartig, einmalig und stets wandelbar ist.
Und dabei ist es völlig nebensächlich was wir glauben, ob der Tod das tatsächliche Ende unserer Existenz ist oder der Übergang in ein anderes Dasein – er ist sicher das Ende dieses Lebens!

Das Fliegen ist eines der Dinge, die uns daran erinnern, dass unsere menschlichen Möglichkeiten begrenzt sind; gerade dann, wenn es zu einem Flugzeugunglück kommt.

Letztendlich besteht unser Vorstellungsvermögen aus endlichen Kategorien, auch wenn wir in der Schule in Mathematik bereits mit „unendlich“ rechnen und an die Unsterblichkeit der Seele glauben.

Die Dinge im Hier und Jetzt sind deshalb für uns wertvoll, weil sie begrenzt sind, weil ein Ende absehbar ist.

Das Leben hat einen Wert und Sinn, weil es ein begrenztes Erleben ist.

Nichts ist immerwährend – das wird mir gerade mal wieder sehr sehr bewußt.

Mein Mitgefühl gilt allen Angehörigen und Freunden der 150 Menschen, die gestorben sind.

[Geschrieben unter dem Eindruck des Flugzeugabsturzes der
Germanwings-Maschine 4U9525 am 24. März 2015.]

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