kerzengerade im Wind
Ich weiß, ich bin schon ein wenig spät dran, aber ich musste mich erstmal wieder ein wenig beruhigen – z. B. beim Anstreichen von Blumentöpfen (dazu gibt’s dann noch einen gesonderten Post). Aufgebracht bin ich immer noch genug.
Worum geht’s?
Viele Menschen, die man aufs Web loslässt, haben scheinbar nie gelernt, sachlich zu diskutieren; es ist ihnen auch egal, dass sich hinter bestimmten Profilen kein gesichtsloses Unternehmen befindet, sondern sich ein Mensch verbirgt.
Es geht um Claudia Neumann, Sportreporterin des ZDF, die vor zehn Tagen das Fußball-EM-Spiel zwischen Wales und der Slowakei und am vergangenen Freitag das Spiel Italien – Schweden live kommentiert hat.
Welcher riesengroße, unentschuldbare Patzer ist Frau Neumann also unterlaufen? Keiner! Ihr einziger „Fehler“ – sie ist eine Frau. Und genau das ist für den ein oder anderen Mann Grund genug, einen Menschen unerträglich zu beleidigen, einen Shitstorm der übelsten Sorte vom Zaun zu brechen.
Der Islam achte Frauen nicht, deutsche Männer meinen, das Abendland und die Achtung der deutschen Frau retten zu müssen – aber wehe, Frauen mischen sich in das Heiligste einiger Männer ein, ein Fußballspiel.
Männer, die selbst keinen gerade Satz heraus bringen (das sieht man u.a. an den Facebook-Posts, die von Rechtschreib- und Grammatikfehlern nur so wimmeln), geschweige denn wohl jemals ein Mikrofon in der Hand hatten und dort hinein gesprochen haben, attackieren eine Fußballreporterin mit Beleidigungen und erklären „der Schlampe“, was sie brauche, fragen, ob die Frau überhaupt die Erlaubnis habe, sich außerhalb der Küche aufzuhalten.
Hättet ihr überhaupt den Schneid, das dieser Frau so ins Gesicht zu sagen oder träumt ihr nur von Kraft, wenn es darum geht, ohne 1:1 Augenkontakt auf dem Sofa flätzend mit Handy oder Tablet mit Gezanke, Gezeter und Gepöbel das Netz zu durchziehen? Woher kommt diese Wut, dieser Hass?
Was ist mit der ach so wichtigen Verteidigung der Werte, die die „echten“ Deutschen angeblich verbindet?
Bei Männer, die in der beschriebenen Art und Weise vom Stapel ziehen, haben sich scheinbar derartige Aggressionen angestaut, Neid, Missgunst und Hass, die an irgendeiner Stelle ihr Ventil finden müssen. Warum nicht also dort, wo niemand weiß, wer man eigentlich ist, wo man völlig ungestraft bis zu einem gewissen Grad schreiben kann, was, und anpöbeln kann, wen man will?
Frau Neumann dagegen zeigt wahre Stärke – was für den ein oder anderen Mann wohl auch schon wieder nur schwer zu ertragen ist – sie reagiert gelassen, weil sie weiß, was sie kann, steht „weiterhin kerzengerade im Wind“; ein Fels in der Brandung.
Sie lässt sich ihre Leidenschaft und ihren Beruf nicht von Hasskommentaren kaputt machen. Gut so!
Kaputt scheinen mir in diesem Fall ganz andere zu sein.
Was seid ihr mit Eurer Macho-Häme doch peinlich, asozial und unerträglich!
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