Meine bisher schwierigsten und zugleich bewegensten Momente als Mama waren es, loszulassen – mal mehr, mal weniger, mal ganz groß …

Besonders bewusst wurde mir das in diesem Monat an meinem 50sten Geburtstag. Das erste Mal, dass ich, seit ich vor knapp 19 Jahren Mama wurde, an diesem Tag ohne meine beiden Kinder war.
Der Große studiert seit einem Jahr in Holland, die Kleine ist vor Kurzem für ein Schuljahr und zum Fußballspielen nach Amerika gegangen.

Ich kann nur sagen, wie toll, wenn auch manches Mal anstrengend, es ist, Kinder mit Leidenschaft(en) zu haben.
Zum Teil schrieben sie schon früh ihr eigenes Drehbuch, an das sie sich konsequenter halten, als wir Erwachsenen uns an unsere Überzeugungen. Sie verfolgen mit großer Vehemenz ihre eigenen Vorstellungen. Sie entdecken eigene Regeln und neue Problemlösungen.
Manchmal hat man das Gefühl, sie haben eine unstillbare Wissbegierde, denen wir als Eltern kaum gewachsen sind.

Je älter unsere Kinder wurden, umso mehr bin ich Beobachter und Zuschauer ihrer Entwicklung.
Und kann nur hoffen, dass wir unsere Beiden ausreichend auf ihren Weg vorbereitet haben.

Wenn mich Leute in den letzten Wochen immer mal wieder fragen, wie sehr ich meine Kinder wohl vermisse, wie schlecht es mir ohne sie gehe, dann antworte ich: »Meine Freude für sie überwiegt – für das, was sie gerade tun. Ich bin sehr dankbar, dass ich sie bislang auf ihrem Weg begleiten durfte, darf und kann; sie an entscheidenden Wegkreuzungen auch Unterstützung zulassen und uns nach Rat fragen. Klar, die Momente des Vermissen und der Sehnsucht gibt es auch.«

Aber ich glaube eben: Klammern ist nicht mein Auftrag. Wenn du deine Kinder nicht für ihre Leidenschaft gehen lässt, sie ermutigst, hast du sie bereits verloren.

 

Du kennst dein Kind
wie niemand sonst.
Sein schiefes Lächeln,
wenn es nicht hören will,
die müden Augen,
wenn der Tag zu laut gewesen,
sein tiefes Seufzen,
wenn wieder niemand es verstand,
den Zorn, die Wut in seinem Blick,
wenn alles allzu schmerzhaft war,
sein Schluchzen,
wenn das Tapfersein nicht nötig ist. –
Dein Kind kennt dich
wie niemand sonst.
Sein Blick kann weh tun,
wenn er tiefer in dich dringt,
dorthin, wo du nicht gern gesehen werden willst.
Dein Kind und du,
lasst euch nicht stören
von den klugen Sprüchen dieser Welt.
Haltet euch die Hände,
doch nicht allzu fest.
Lass los dein Kind
und freu dich an den Schritten, die es tut,
die weiß es besser, als du denkst.
Es sind nicht deine,
und auch nicht die, die du dir wünschst.
du kennst dein Kind
wie niemand sonst.
Doch besser noch
kennt es sich selbst.

~ Hedwig Sautter [aus: „Sternschnuppen verweilen nicht. Gedichte über Begegnungen mit Kindern.“]

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