… Schimpftriaden und Friedensworte. tag-der-deutschen-einheit_fundwerke_092016

1988 durfte ich als freie Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland die Grenze zur DDR (fast) unbehelligt – mal abgesehen von der langen Autoschlange sowie den unangenehmen Fragen zum Grund der Einreise – nach Berlin-West überwinden und auch gegen die Zahlung der üblichen Devisen Ost-Berlin besuchen.

Auf der Rückfahrt haben wir verbotener Weise von fahrendem Auto zu fahrendem Auto auf der Transit-Autobahn mit „Ossis“ Kontakt aufgenommen, per Zettel hinter der Windschutzscheibe Adressen ausgetauscht, hatten ein Jahr lang Briefkontakt, bis wir uns nach dem Fall der Mauer dann tatsächlich gegenseitig als freie Menschen besucht haben.

Und heute – z. B. aktuell in Dresden – die Fremdheit zwischen Teilen der Bevölkerung in Deutschland wächst. Das ist besorgniserregend und bedrohlich für uns alle.

Für populistisches Getue – egal ob von links oder rechts – verbunden mit der Gier nach Medienpräsenz und Aufmerksamkeit um jeden Preis braucht es nun wirklich nicht viel, außer einer großen Klappe und einer übergroßen Portion Egoismus.

Meinungsverschiedenheiten zur Sprache bringen und aushalten, wenn sich Kontrahenten viel zu schnell rhetorisch an die Kehle springen.
Versuchen, zu verstehen und zu differenzieren, statt pauschal zu verurteilen.
Versuchen, Vertrauen aufzubauen, wo inzwischen so viel von Misstrauen ist.

Mit markigen Ansagen hat noch niemand Brücken gebaut.

Ich kann nur hoffen, dass alle demokratischen Kräfte in unserem Land es nie wieder zulassen werden, solche Mauern zu bauen und vereint gegen Mauern in den Köpfen vorgehen.

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5 Responses to Tag der Deutschen Einheit …

  1. Lisa sagt:

    Unvorstellbar, dass es in Deutschland mal eine Mauer gab. Besonders wenn die Ereignisse sich vor meiner Zeit abspielten… Gott sei Dank ist Deutschland wieder vereint =)

  2. Andreas sagt:

    Leider ist die Mauer in den Köpfen immer noch da, wie selbstverständlich sprechen Leute im Osten über Wessis und Leute im Westen über Ossis.
    Obwohl wir lange ein Volk sind ist eine Teilung immer noch gegenwärtig.
    Aber das liegt wohl im Wesen des Menschen, die Fischköppe lästern halt auch über Bazis und die Bayern lachen über die Ostfriesen.
    Im Grunde denke ich, sind wir aber alle gleich, es gibt hier Arschlöcher und dort auch und Gott sei dank auch überall Menschen wie du und ich.
    In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Tag der Einheit gehabt zu haben!

    • fundwerke sagt:

      Ich befürchte, es ist leider nicht ganz so einfach – das, was momentan in Deutschland ab geht, geht ja weit über das wohl normale, menschelnde Lästern hinaus:
      gewaltverherrlichende Wutorgien, unmenschliche Aufrufe zur Selbstjustiz, brutale Polemik – es fehlt einigen; zu vielen für meinen Geschmack; an Respekt, Menschlickeit und einem Mindestmaß an Empathie.
      Es brennt an zu vielen Stellen.

      Der Mob ruft „Wir sind das Volk“ und will damit die Bundesrepublik, die Demokratie, überwinden.
      Die Sprache ist eine Mischung aus Angst, Stolz, Hass und Unsicherheit. Diese Menschen denken schon lange nicht mehr, dass wir alle im Grunde gleich sind. Sie sind fest davon überzeugt, dass sie „gleicher“ sind und damit das Recht haben, anderen ihre Würde und ihren Verstand abzusprechen.
      Und, solange diese Entwicklung klein geredet wird, es viele gibt, die zwar anders denken, aber nichts sagen, weil es ihnen nicht relevant genug erscheint, empfinde ich diese Entwicklung in Deutschland als Bedrohung.

      Was speziell das Bundesland Sachsen betrifft, so finde ich diesen Artikel hier ganz aufschlussreich:
      „Ein ganz besonderes Volk“, in: ZEIT ONLINE

  3. Hardy sagt:

    Ich bin der Meinung, dass die Mauer auch aus den Köpfen immer mehr verschwindet. In Berlin sagt man zwar noch Wessi und Ossi, aber nicht mehr mit der selben Bedeutung oder Abfälligkeit wie damals. Noch eine Generation und der Spuk wird vorbei sein.

  4. Annezska S. sagt:

    @ Andreas: Ihre Hypothese, wonach „die Mauer in den Köpfen noch da“ sei, hängt stark von der Generation ab! Fragen Sie doch mal jemanden der U30-Generation – sie werden niemanden (!) finden, für den die Mauer noch geistig existent ist. Nicht nur haben diese jungen Leute den Kalten Krieg nie bewusst miterlebt – sie bemerken auch keinen kulturellen Unterschied, wenn sie sich in Ost oder West bewegen.

    Tipp: Sprechen Sie einmal mit jungen Leuten und sie werden feststellen, dass es für sie nur ein Gesamtdeutschland gibt. Niemand von Ihnen benutzt das Wort „Ossi“ oder „Wessi“. Eine löbliche Entwicklung, wie ich finde!

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